So lautet das Fazit von Marburg Mercenaries Präsident Carsten Dalkowski zum Jahresrückblick 2020 auf diese verrückte Corona-Saison.
Solch ein Jahr haben die Marburger in ihrer fast 30jährigen Geschichte noch nicht erlebt. Sehr viel Arbeit und Organisation im Hintergrund stand nur sehr wenig sichtbarer Spiel- und Trainingsbetrieb gegenüber. Das GFL Team als Aushängeschild des Vereins konnte überhaupt nicht antreten, die 2. Mannschaft und die Jugend kamen zumindest zu einem minimalen Spielbetrieb. Den Cheerleadern wurde durch die Pandemie die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft unmöglich.
Am besten hatte es noch die 2. Herren-Mannschaft, welche in der verkürzten Saison in der Verbandsliga Mitte immerhin drei Spiele absolvieren konnte und ungeschlagen mit 124:7 Punkten Meister wurde. Höhepunkt war hier zum Abschluss das „ausverkaufte“ Heimspiel im Georg-Gaßmann-Stadion gegen die Gernsheim Gladiators vor 200 Zuschauern unter GFL Bedingungen.
Die Jugend konnte ein Vorbereitungsspiel gegen die Rodgau Pioneers gewinnen. Die Liga selbst bestand nach zahlreichen Absagen nur noch aus zwei Mannschaften. Neben der „Mercenaries Youth“ trat noch die Spielgemeinschaft Frankfurt / Rüsselsheim an. Aufgrund der Corona Ausfälle konnte nur eine Begegnung ausgetragen werden, welche gegen den starken Gegner mit GFL Juniors Ambitionen allerdings deutlich verloren wurde.
Bei beiden Heimspielen bewies das Marburger Organisations – und Helferteam eindrucksvoll, dass es auch unter Einhaltung der Hygiene – und Abstandsbedingungen reibungslos solche Spieltage organisieren kann. Hier hat sich besonders Gründungsmitglied und Neu-Vorstand Thomas Plessl mit seiner akribischen Art hervorgetan und war dem amtierenden Vorstand eine unverzichtbare Hilfe.
Für die GFL Mannschaft begann das Jahr 2020 sehr vielversprechend. Mit Joe Sturdivant wurde ein bekannter Headcoach verpflichtet, welcher schon einmal in Marburg tätig war. Kurze Zeit später kam der Defense-Fuchs Joe Tricario dazu. Die Imports waren alle rekrutiert, mit Sonny Weishaupt wurde ein Nationalmannschaftsquarterback verpflichtet, der vom Deutschen Meister aus Braunschweig nach Marburg gekommen war und das erste offene Try-Out fand großen Zuspruch. Dann kam der erste Lockdown und der gesamte Trainingsbetrieb musste zunächst ruhen. Sturdivant wollte in dieser Situation mit seiner Familie lieber wieder zurück und trat den Weg in die Heimat USA an. Der Coaching Staff um Tricario erstellte sodann für die Spieler individuelle Trainingspläne und setzten auf Zoom – und Hudl Meetings. Ruben De Ruyter, der als Spieler verpflichtet wurde, erwies sich dabei als ausgebildeter Personal Trainer als großartige Unterstützung und brachte sein Wissen auch bei der Betreuung durch die Onlinemedien mit ein.
Am 03. Mai hätte dann eigentlich die GFL Saison mit einem Heimspiel gegen die Munich Cowboys beginnen sollen, aber das war aufgrund der Einschränkungen nicht möglich. Immerhin konnten die Mercenaries als Bundesligateam auch Dank der großen Unterstützung des Verbandes und der Hessischen Landesregierung zumindest in Kleingruppen wieder das Training aufnehmen. Das war zwar nicht mit den regulären Trainingseinheiten des gesamten Teams mit Kontakt vergleichbar, aber die Freude, endlich überhaupt wieder auf das Feld zu dürfen, war allen Spielern anzumerken. Motiviert bereiteten sich die Marburger auf einen späteren Saisonstart vor.
Diese Möglichkeiten nutzen nicht alle GFL Teams und so entstanden kontroverse und teilweise hitzige Diskussionen, ob man sich überhaupt für eine eventuellen Saisonstart vorbereiten sollte, welcher zu diesem Zeitpunkt keineswegs sicher war. Die ersten Rufe wurden laut, die GFL Saison komplett abzusagen. Letztendlich hatten sich dann doch alle 32 GFL und GFL2 Vereine einstimmig entschieden, die Ligaleitung mit der Saisonplanung zu beauftragen. Als Deadline zur Entscheidung wurde der 15. Juni vereinbart. Vereine, welche sich dann gegen einen Spielbetrieb entscheiden sollten, hatten keine Restriktionen zu befürchten.
Aufgrund der unsicheren Corona-Situation wurde diese Deadline dann mehrfach verschoben, bis man den 24.07.2020 als endgültigen „point of no return“ definierte, an dem die Teams sich dann endgültig entscheiden mussten, ob sie an der verkürzten Saison ab September teilnehmen würden. Sechs Teams aus der GFL und 14 aus der GFL2 hatten sich für den Spielbetrieb dann entschieden und die Mercenaries wären dabei gewesen. Doch schon eine Woche später mussten dann auch diese Teams die Konsequenzen der Coronaentwicklung ziehen und entschieden, die Saison 2020 besser komplett abzusagen. Die GFL 2 Teams waren da noch etwas optimistischer, mussten dann aber ebenfalls ihre Planungen einstellen und auf die Saison verzichten. Dalkowski meinte damals: „Wir hatten für die Mercenaries, die Fans und unsere Partner in den letzten Monaten alles versucht, um eine verkürzte Saison zu realisieren und bis zum Schluss dafür gekämpft. Doch dann lief die Zeit und die aktuelle Entwicklung gegen uns. Wir werden uns jetzt mit den Trainern und Spielern auf diese neue Situation einstellen. Und wir werden alles gesundheitlich und wirtschaftlich Vertretbare versuchen, unseren Fans in diesem Jahr doch noch irgendwie ein Footballfest in Marburg präsentieren zu können.“ Dieses Versprechen konnte der Verein dann mit dem Heimspiel der zweiten Mannschaft im Marburger Sportpark auch einhalten.
Getreu dem Motto „nach der Saison ist vor der Saison“ haben die Marburger dann sofort die Planungen für die Saison 2021 aufgenommen. Der Vorstand wurde mit Thomas Plessl, Carsten Schouler und Stefan Scott provisorisch bis zur nächsten Versammlung erweitert, die Crew der Jugendtrainer wurde deutlich verstärkt und mit Aaron Seward konnte man einen erstklassigen Receiver verpflichten, der bereits im Training überzeugt und 2021 in Marburg spielen wird. Die Cheerleader trainierten so gut und soviel es eben ging und für das Dance Team fand man mit Alex Wiegratz und Laureen Irsch sogar zwei neue Trainer.
Gerade noch rechtzeitig vor dem zweiten Lockdown präsentierte sich im Oktober der neue Offense Coordinator in Marburg. Mit Micah Brown kehrt der ehemalige Quarterback zurück, welcher nicht nur in Marburg noch zahlreiche Fans hat. Brown war dazu extra aus Kanada eingereist, um sein Fitnessprojekt BATLX und die Kooperation mit Mercenaries Partner Vita Fitness vorzustellen. Die Zeit in Deutschland nutzte er gleich auch für ein offenes Trainung für die Kaderplanung 2021. Dalkowski freut sich sehr über den Rückkehrer: „Mit Micah bekommen wir einen nicht nur fachlich sehr versierten Trainer, sondern einen engagierten Motivator mit tollem Charakter ins Boot. Er ist einfach ein klasse Typ und mit seinem BATLX Trainingsprojekt nicht nur für Offensespieler ein zusätzlicher Anreiz, zu uns nach Marburg zu kommen. Damit bieten wir jedem Spieler die ideale Möglichkeit sich auf höchstem Trainingsniveau nach professionellen Maßstäben weiterentwickeln zu können.“
Auch im Hintergrund wird fleißig weitergearbeitet, Stefan Scott und Peter Scheldt vom Marburger Gamesound tüfteln bereits an ihrem Equipment, um die Livestreams mit Zeitlupen, Wiederholungen, Grafiken, Animationen und verschiedenen Kameraperspektiven noch spektakulärer zu machen.
Auch die neu gegründete Damenmannschaft hat inzwischen schon 15 Spielerinnen und möchte in 2021 zumindest Freundschaftsspiele austragen.
Alles in allem also eine positive Entwicklung im Verein, trotz solch großen Herausforderungen. „Mein Dank gilt hier einfach allen Beteiligten: alle Aktiven, die Trainer, die Vorstandsmitglieder und Helfer in allen Bereichen haben eine tolle Arbeit in diesem verrückten Jahr abgeliefert,“ bedankt sich der Präsident bei den Vereinsmitgliedern, die inzwischen fast die 400er Marke geknackt haben.
Bei allen diesen positiven Entwicklungen war es nur selbstverständlich, dass die GFL Lizenz für 2021 pünktlich beantragt wurde. Wie gewohnt, hätte auch die jährliche Mitgliederversammlung im letzten Quartal dieses Jahres stattfinden sollen, diese wurde jetzt auf 2021 verschoben. Auch das sieht Dalkowski, der in diesem Jahr mit seinem Team bei allen Widerständen immer versucht hatte, das Beste daraus zu machen, ganz pragmatisch: „Wir sehen das ganz entspannt und werden dann in 2021 einfach beide Mitgliederversammlungen zusammenlegen und in einem Rutsch erledigen.“
Etwas Sorgen machen ihm die Entwicklungen um die geplante Profi-Liga ELF. „Hier sind einfach zu viele Fragen offen und die Macher dieser Idee haben bislang keine befriedigenden Antworten geliefert,“ weiß der 49jährige Jurist, der mit dem GFL Ligavorstand aber im Austausch mit den Geldgebern der Liga steht. „Hoffentlich können wir Schaden vom German Football abwenden. Das wird insgesamt aber nur gemeinsam gehen, und die bislang übermittelten Signale aus der ELF stimmen mich da nicht optimistisch,“ so Dalkowski weiter. Aber wer Dalkowski kennt, weiß, dass er schon berufsbedingt immer optimistisch an Problemstellungen herangeht und sicherlich hat der neu gebildete GFL-Vorstand genug Motivation und Energie, um auch diese Herausforderungen zu meistern.
Positiv in die Zukunft kann der Macher der „Mercs“ auch weiterhin schauen. Die Sponsoren haben auf breiter Front dem Club die Treue gehalten und durch die Förderungen der Stadt Marburg und der Bundesregierung sind finanzielle Verluste im Rahmen geblieben. „Wir haben gut gewirtschaftet und können im nächsten Jahr wieder sportlich angreifen,“ wagt Dalkowski bereits einen Ausblick und verspricht: „Für das 30jährige Jubiläum in 2021 haben wir uns schon einige schöne Dinge einfallen lassen. Die GFL Saison ab Juni wird dabei nur eins von vielen Highlights sein.“
„Im Namen des Gesamtvorstandes möchte ich allen Mitgliedern, Freunden und Partnern des Marburger Footballs ein paar geruhsame Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr wünschen. Bleibt gesund und passt weiter auf Euch auf,“ schließt Dalkowski seinen Rückblick auf ein intensives Jahr.